Rückschritt, aber schnell! Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) herrscht in der Medienlandschaft sowie bei Gewerkschaften und Arbeitgebern Sorge. Müssen Arbeitgeber jetzt zwangsweise die Stechuhr einführen? Befinden wir uns auf dem Weg geradewegs zurück in die Sechziger? Worauf müssen Arbeitgeber und damit auch Makler, die Mitarbeiter unterhalten, vorbereitet sein? Wir haben beim Juristen nachgefragt.

Der EuGH urteilt
Auslöser für dieses neue Urteil ist ein Rechtsstreit zwischen der spanischen Gewerkschaft Federación de Servicios de Comisiones Obreras (CCOO) und einem Ableger der Deutschen Bank. Die Gewerkschaft hatte vor der Audiencia Nacional (der Nationale Gerichtshof in Spanien) Klage gegen die Deutsche Bank SAE erhoben. Der Grund: Die Deutsche Bank SAE sollte ein System zur Arbeitszeiterfassung von Mitarbeitern einrichten. Daraufhin wandte sich der spanische Gerichtshof an den Chef auf Europaebene. Laut Bartlomiej Zornik, Jurist bei der Kanzlei van Velzen, will der EuGH Arbeitgeber damit verpflichten, Arbeitszeiten zu dokumentieren. „Wie die jeweiligen Mitgliedstaaten dies jedoch umsetzen, bleibt zunächst offen. Ich denke, dass es mittelfristig nicht nur im Interesse des Arbeitsnehmers ist, die Arbeitszeiten zu dokumentieren“, führt der Jurist aus.
„Die Mitgliedstaaten müssen die Arbeitgeber verpflichten, ein System einzurichten, mit dem die tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann.“ – Aus dem Urteilsspruch in der Rechtssache C-55/18 des Gerichtshofes der Europäischen Union
Flexibilitätsverlust durch Arbeitszeiterfassung?
Das Urteil löste branchenübergreifend Diskussionen aus. Kritiker befürchten, dass das EuGH-Urteil den Weg zu mehr Überwachung geebnet haben könnte. Oder dass sich die in der Arbeitswelt Einzug haltende Flexibilität wieder verringern könnte. Derzeit nämlich liegt das Home Office im Trend. Zwischen 2014 und 2015 ist die Anzahl der Unternehmen, die ihren Mitarbeitern Home Office ermöglichen, um zehn Prozent angestiegen. Ein Trend, der durch das Urteil gebrochen wird? Nicht unbedingt, befindet Zornik. „Jedoch kann die mögliche Verpflichtung den Arbeitnehmern auch negativ ausgelegt werden. Etwa, wenn Pausenzeiten überschritten werden oder die Anwesenheit am Arbeitsplatz nicht dem Arbeitsvertrag entspricht. Hieraus kann dann eine Abmahnung entstehen. Oder gar eine fristlose Kündigung.“

Vorsicht, Datenschutz!
Es stellt sich nun die Frage: Welche Art der Arbeitszeiterfassung können Makler von ihren Mitarbeitern verlangen? Dies ist im Urteil nicht abschließend geklärt. „Es wird vermutlich keine Pflicht zu einer elektronischen Form werden“, so Zornik. Seiner Meinung nach sollten Arbeitgeber jedoch mit einer generellen Dokumentation rechnen, sobald die Nationalstaaten ihre Gesetzeslage angepasst haben. Ein weiterer wichtiger Faktor ist der Datenschutz. „Sollte die Arbeitszeiterfassung gesetzliche Pflicht werden, hat der Arbeitgeber selbstverständlich das Datenschutzrecht zu berücksichtigen. Falls er spezielle Software einsetzen will, hat er sich gegebenenfalls die Einwilligung seiner Mitarbeiter einzuholen“, weiß der Experte.

Arbeitszeiterfassung im Maklerbüro
Es ist demnach nicht sicher, wann die Arbeitszeiterfassung schlussendlich kommt. Doch dass sie kommt, steht außer Frage. Zornik empfiehlt Maklern darum, bereits jetzt ein Zeiterfassungssystem einzuführen. Natürlich mit der Einwilligung ihrer Mitarbeiter. „Ebenfalls empfiehlt es sich, einen Blick in den Arbeitsvertrag zu werfen, ob die gegebenenfalls alten Regelungen noch immer aktuell sind“, rät Zornik.
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An dieser Stelle mal ein großes Lob für diesen tollen Blog.