Am 03. Januar 1987 wurde erstmals eine Frau in die Rock n’ Roll Hall of Fame aufgenommen. “Aretha Franklin” lautet der Name der US-amerikanische Soul-Sängerin, die den 3. Januar seither zum Internationalen Women Rock! Day kürte. Da Frauen nicht nur im Musikbusiness rocken, sondern auch besonders in unserer Branche, rückt die Gothaer für die Women Rock!–Serie Kolleginnen aus dem Unternehmen und der Branche ins Rampenlicht.
In dieser Ausgabe sprechen wir mit Constanze Hintze. Sie ist seit 2005 Geschäftsführerin von Svea Kuschel + Kolleginnen, Vermögensanlageexpertin sowie Buchautorin. Zudem ist sie im internationalen Frauennetzwerk ZONTA engagiert. Nicht zuletzt aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung haken wir im Interview mit ihr nach, was die weibliche Zielgruppe beschäftigt und beschäftigen sollte.
Redaktion: Svea Kuschel + Kolleginnen war bei der Gründung Ende der 80er-Jahre das erste Unternehmen in Deutschland mit speziellem Fokus auf Finanzdienstleistungen für Frauen. Warum entschieden Sie sich damals für diese Zielgruppe?
Constanze Hintze: Eine Finanzberatung für Frauen hat damals schlichtweg gefehlt. Bis in die 1970/80er-Jahre stand die Ehe für eine lebenslange Absicherung von Frauen. Frauen und Männer hatte eine klare, sehr traditionelle, Rollenverteilung. Doch dann stieg der Zahl der Ehescheidungen massiv an und viele Frauen standen nach einer Trennung vor einem finanziellen Scherbenhaufen. Sveas Kuschels Ansatz appellierte an die Eigeninitiative von Frauen. Interessanterweise ist das damalige Motto „Sorge für Dich selbst, denn ein anderer tut es nicht“ auch heute aktueller denn je.
Redaktion: Wo lag die damalige Herausforderung der Selbstständigkeit?
Constanze Hintze: Alles hat seine Zeit, so heißt es doch. In den Anfängen von Svea Kuschel + Kolleginnen ging es vor allem darum, Frauen ganz generell zur eigenständigen Altersvorsorge zu motivieren. Denn „Das macht mein Mann“ galt nicht mehr. Heute befinden sich viele Frauen in einem Spagat zwischen Business, Familie und dem eigenen Anspruch. Die Fülle von Möglichkeiten, Anlageprodukten, Anbietern und echten und vermeintlichen Ratgebern macht die Sache nicht einfacher.
Eine gute Finanzberatung kann sich nur mit zeitgemäßer Kompetenz, hoher Servicebereitschaft und natürlich echtem Interesse und Glaubwürdigkeit positionieren.
Redaktion: Viele Frauen legen Studien zufolge konservativer und nachhaltiger an als Männer. Bedeutet das, dass Frauen das nötige Selbstbewusstsein im Umgang mit Finanzen fehlt?
Constanze Hintze: Nachhaltigkeit und der Wunsch nach Sicherheit haben nichts mit mangelndem Selbstbewusstsein zu tun. Im Gegenteil! Es zeugt von Verantwortung und Weitsicht. Die Aufgabe, die Finanzberaterinnen und –berater haben ist es, aus den Begrifflichkeiten handfeste persönliche Anlagestrategien zu konzipieren. Denn unter „sicher und nachhaltig“ versteht jeder etwas anderes. Am Ende muss die Geldanlage zur Anlegerin und ihren Zielen passen.
Redaktion: Warum ist eine Altersvorsorge gerade bei Frauen so wichtig? Und welche Fehler machen sie in der Absicherung?
Constanze Hintze: Auch wenn sich die Erkenntnis nicht neu ist, spielt die Familienplanung eine wichtige Rolle. Lange Familienzeiten und Teilzeit-Jobs reißen Lücken in die berufliche Laufbahn, in die Einkommensentwicklung und schließlich die Altersvorsorge. Wer dann in diesen Phasen seine eigenen Sparziele aus den Augen verliert und gute Vorsorgeprodukte sogar unterbricht, verschärft das Problem.
„Familie“ ist ein gemeinsames Projekt von Mann und Frau – die Regelung der Altersvorsorge beider Partner gehört für mich in diesem gemeinsamen Vorhaben dazu.
Redaktion: Wie hat sich die weibliche Nachfrage hinsichtlich Finanz- und Versicherungsprodukten in den letzten Jahren gewandelt?
Constanze Hintze: Das Interesse an kapitalmarktorientierten Geldanlagen hat im Laufe der letzten 20 Jahren deutlich zugenommen. Ich denke dabei sowohl an Wertpapierprodukte als auch an Fondspolicen, die immer ausgereifter und vielfältiger wurden.
Redaktion: Und worin sehen Sie diese Entwicklung begründet?
Constanze Hintze: Ein Beschleuniger ist sicher die Zinsentwicklung: Seit mehr als 30 Jahren befinden wir uns in einem Zinssenkungszyklus und es zeichnet sich keine Trendwende ab. Im Gegenzug dazu erzielen Kapitalmarktprodukte sehr gute Renditen. Und schließlich kommt noch dazu: Immer mehr Frauen verfügen dank eigener beruflicher Karriere über mehr Einkommen und Vermögen. Wunderbar!
Redaktion: Welches Vorurteil sehen Sie hinsichtlich der weiblichen Zielgruppe bestätigt? Und wie überraschen Sie Klientinnen hingegen positiv?
Constanze Hintze: Der Klassiker ist, dass Geld „nicht so wichtig“ ist. Eine nette, aber gefährliche Koketterie. Denn:
Die Gefahr, ohne eigene Vorsorge und Rücklagen in eine prekäre Situation zu gelangen, ist nicht geringer geworden.
Eine deutliche und positive Veränderung sehe ich in der Risikotoleranz. Die Bereitschaft in aktienorientierte, zumeist gemanagte, Anlagestrategien hat deutlich zugenommen. Und das nicht nur mangels Nullzinsen – oder wie eine befreundete Journalistin sagt: TINA, there is no alternative – sondern aus der Erkenntnis heraus, dass Aktien zum Vermögenswachstum beitragen.
Redaktion: Welchen Appell haben Sie an Kolleginnen aus der Branche?
Constanze Hintze: Das Zauberwort ist Role Model: Findet eine, an der ihr euch orientieren könnt und die euch ein gutes Vorbild in vieler Hinsicht ist. Oder seid eines. Das ist wirkungsvoller als jedes Gendersternchen.
Titelbild: © Constanze Hintze/Svea Kuschel + Kolleginnen